Kalkbrennen in Eiserfey

Kalkbrennen in Eiserfey

Johann W. Mießeler

Neben der Eisenverhüttung und deren Veredelung war der Kalksteinabbau und das Kalkbrennen im 19. Jahrhundert über Jahrzehnte ein florierender Wirtschaftszweig, der vielen Eiserfeyer Arbeit und Brot gab.

Kalkofen am „ahle Kalk“, linke Bildhälfte Kalksteinbruch, rechte Seite zeigt „de Hött“, Foto aus Eifelvereinsblatt vom 1907, Seite 100, Blick aus Richtung Kakushöhle


Geologische Zeitskala:
Die geologische Zeitskala ist eine hierarchische Unterteilung der Erdgeschichte.
die in verschiedene Ebenen und Zeitabschnitten zwischen 40 und 250 Millionen Jahren gegliedert und benannt wurde (z. B. Devon, Trias, Jura, Kreidezeit).  

Gesteinsarten:
Von ihrer Entstehung her unterscheidet man drei Arten von Gesteinen.
1.) Sedimentgesteine
      Sie entstehen durch Ablagerungen von Material am Land und im Meer.
      So beispielsweise:  
a) durch einmündende Flüsse, die nach und nach, Sand, Geröll oder Schlamm am Meeresboden übereinanderschichten oder
b) durch kalkhaltige und kalkbildende Meereslebewesen.
      Nach ihrem Ursprung unterscheidet man klastische, chemische und biogene Sedimente sowie Rückstandsgestein (Kalkstein, Dolomit, Grauwacke).
2.) Magmatische Gesteine
      Sie bilden sich durch das Erkalten und Auskristallisieren des geschmolzenen Materials aus dem Erdinneren, des sogenannten Magmas. (Basalt, Granit)
3.) Metamorphe Gesteine
      Sie entstehen aus älteren Gesteinen beliebigen Typs durch Umwandlung unter hohem Druck bzw. hoher Temperatur. Bei der Umwandlung ändert sich in der Regel die Mineralzusammensetzung des Gesteins, weil neue Mineralien und Mineralaggregate gebildet werden (Marmor, Schiefer, Quarzit).

Die nachfolgende Betrachtung bezieht sich zeitlich auf das Devon und Mitteldevon, gesteinsmäßig auf Sedimentgestein, speziell Kalkstein.
Auf die anderen Zeitepochen bzw. Untergesteinsarten wird nicht eingegangen.



Kalkofen am Kalk, a
uf der linken Bildhälfte ist der Steinbruch und rechts die Hochofenanlage zu sehen

Entstehung des Kalkgesteins:
Vor ca. 400 Millionen Jahren bedeckte das Devonmeer die Eifel für etwa 100 Millionen Jahre.
Es war ein südlich vom Äquator liegendes tropisches Flachmeer. In dem Meer standen den riffbildenden Meereslebewesen, wie Schnecken, Muscheln, Korallen, Panzerfischen usw.,  die erforderlichen Aufbaustoffe für ihre körpereigenen Skelette und Schalen in ausreichender Menge zur Verfügung. Diese kalkigen Hartteile setzten sich nach dem Absterben der Organismen auf dem Meeresboden ab. Dazu gesellte sich Verwitterungsgeröll, das aus dem angrenzenden nördlichen und südlichen Festland durch Flüsse in das Meer hineingetragen wurde.
Weltweite Umweltveränderungen beendeten abrupt diese Kalkbildung.
In den folgenden 70 Millionen Jahren überdeckten ton- und feinsandige Ablagerungen die noch lockeren und losen Kalkablagerungen mit einer Schicht von etwa 2000 Metern. Durch den entstandenen Druck verfestigten sich die Kalksedimente zu Kalkstein.
Vor etwa 280 Millionen Jahren entstand bei der so genannten variszischen Orogenese ein 3000 bis 4000 Meter hohes Gebirge. ( Bei Orogenese handelt es sich um ist die Gebirgsbildung, bei der variszischen Gebirgsbildung um das Auffalten der Gesteinsschichten durch das aufeinanderdriften der alten Kontinente Gondwana und Laurussia.
Durch lange anhaltende Verwitterungsprozesse und Vulkanismus wurden mehrere hundert Meter Sedimentgestein abgetragen, das einstige Hochgebirge zu einem Mittelgebirge verändert und unsere heutige Oberflächengestaltung in ihren Grundzügen herausgebildet.
Zurück blieben die hochgeschobenen Sedimentgesteine, so auch der mitteldevonische Kalk- und Sandstein sowie Schiefer.
Kalk findet man heute noch in Gebieten, die durch ihre Muldenform vor Erosion geschützt waren.
Bekannt sind in der Eifel mehrere Kalkmulden, z. B.  Prümer-, Dollendorfer-, Gerolsteiner und Sötenicher Mulde.
Eiserfey liegt im Bereich der Sötenicher Mulde, die von Norden nach Süden verlaufend ca. 30 km lang ist.

Zusammensetzung und Aussehen von Kalkstein:
Als Kalkstein werden Sedimentgesteine bezeichnet, die überwiegend aus dem chemischen Stoff Calciumkarbonat (CaCO³) in Form der Mineralien Calcit und Aragonit bestehen. Andere Mineralien kommen  in schwankenden Anteilen vor. Dazu zählen z. B. Dolomit, Tonminerale, Gips und Quarz. Enthält der Kalkstein einen Anteil von organischen Substanzen so erhält man bituminösen Kalk. Bei einem hohen Anteil an Tonmineralien bezeichnet man ihn als Mergel.
Kalkstein ist ein sehr variables Gestein. Dies betrifft seine Entstehung als auch seine Eigenschaften, zudem das Aussehen und die wirtschaftliche Verwendbarkeit. Die meisten Kalksteine sind biogener Herkunft.
Überwiegend besitzen Kalksteine eine helle, graue bis graugelbe Farbe. In Verbindung mit anderen Mineralien sind auch weitere Farbtöne möglich. Eisenverbindungen ergeben eine kräftige Rotfärbung, Bituminöse Kalksteine sind grau bis schwarz gefärbt.

Geschichtliches zum Kalkstein:
Bereits in vorchristlicher Zeit war die Kunst des Kalkbrennens weit verbreitet.
Die ältesten Zeitzeugnisse der Kalkherstellung sind ca. 11.000 Jahre alt und stammen aus dem Bergtempel von Göbelki in Anatolien.
Das in Eiserfey vorhandene Kalkgestein wurde schon von den Römern gebrochen, gebrannt und als Baustoff für die römische Wasserleitung verwendet.
Die Technologie des Kalkbrennens übernahmen die Germanen von den Römern. So entwickelte sich die Kalkbrennerei im Laufe der Jahrhunderte zu einem Erwerbszweig mit hohem industriellem Standard.

Kalksteinabbau:
In und um Eiserfey herum gab es mehrere, der älteren Generation noch bekannte und teilweise erkennbare Kalksteinbrüche.
Die größten Abbaugebiete befanden sich auf „Hausen“ (bei Dreimühlen) und auf „Tivoli“, zwischen Eiserfey und Vollem gelegen. Der in Eiserfey, im Flurstück „im Kalk“ zwischen Eiserfey und Harzheim sowie im „Auel“ und gegenüber neben der Hauserbachstraße gebrochene Kalkstein wurde an Ort und Stelle zu Kalk gebrannt.
Kalkstein galt auch bei der Eisenschmelze in Eiserfey als wichtiger Rohstoffbestandteil.
Die Steigerung der Bleierzverhüttung im Mechernicher Bleibergwerk erhöhte auch den Bedarf an Kalkstein.
Ab 1883 wurde der bis dahin mit Fuhrwerken durchgeführte Kalksteintransport aus Kostengründen durch eine Seilbahn  weitgehend ersetzt.
Die Seilbahn führte von Hausen über Tivoli am Ort Vollem vorbei über Bergheim zur Magdalenenhütte am Bachrevier nach Mechernich und war bis 1929 in Betrieb. Veränderte Verhüttungsmethoden erforderten weniger Kalkstein, so dass die Seilbahn 1934 stillgelegt wurde.

Kalkbrennen:
Chemische Vorgänge:
Kalkstein (CaCO³, Calciumcarbonat) gibt bei 900 bis 1200 Grad Celsius Kohlenstoffdioxid (CO²) ab und geht in Branntkalk (Calciumoxid CaO) über. Man spricht dabei vom Entsäuern des Kalksteins. Dieser Schritt wird als Kalzination bezeichnet.

Technische Durchführung:
Die Vorgehensweise war je nach Brennofenform, (Mulden, einfache Meiler, Schicht-, Schacht-, Trichter-, Ring-, Drehrohr-, Wirbelstromofen) etwas unterschiedlich und hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert.
Der rohe, vom Steinbruch kommende Kalkstein wurde Schichtweise aufgefüllt.
Die Befeuerung wurde mit Holz oder Koks, je nach Lage mit Torf oder anderen brennbaren Materialien betrieben. Der eigentliche Brennvorgang selbst und das anschließende Entnehmen von Kalk und Kalkasche.

Kalköfen in Eiserfey:
Im Jahre 1854 werden gleich zwei Personen im Amtlichen Mitteilungsblatt des Kreises Schleiden benannt, die beabsichtigen, Kalköfen zu errichten und zu betreiben. Dabei handelte es sich im Februar des Jahres um Clemens August Schmitz und im Mai um Joseph Volheim.

Der Ofen von Schmitz befand sich im Auel gegenüber dem damaligen Hüttenwerk, Volheims Ofen „im Kalk“ am Weg von Eiserfey nach Harzheim (heutiger Platz der Eiserfeyer Grillhütte).

Auszug aus Amtlichen Mitteilungsblatt des Kreises Schleiden, Febr. 1854

Reste der Gesamtanlage des Ofens im Auel dienten im 2. Weltkrieg der Eiserfeyer Bevölkerung noch als Schutz bei alliierten Bombenangriffen. Die restlichen Überbleibsel wurden beim Hausbau der Familie Junker in den 1970er Jahren zugeschüttet.

Auszug aus Amtlichen Mitteilungsblatt des Kreises Schleiden, Juli 1854

In den nachfolgenden Jahrzehnten bis ca.1935, inserierten verschiedene Kalkofenbesitzer und boten Kalk und Kalkasche zum Verkauf an. Wie lange die einzelnen Kalköfen betrieben und stillgelegt wurden, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Ebenso wenig sind die einzelnen Besitzer bzw. Pächter der Kalköfen bekannt.

 

Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden 03.1921, 01.05.1868,  23.03.1866

 

Schriftverkehr Milde – Traber, verkauf Kalkofen am Kalk 1931

Schriftverkehr Milde – Traber, Auszug aus Pachtvertrag Kalkofen am Kalk 1932

Fundamentreste der Ofenanlage „im Kalk“ sind heute noch sichtbar.


Im Archiv für Bergbau und Hüttenwesen, Band 6, von Carl Karstens aus dem Jahr 1823 wird von Ober Bergamt Referendarius von Dehnhausen die Benutzung der Hochofen-Gichtflamme zum Betrieb eines Kalkofens in Eiserfey beschrieben und skizziert.


Abbildung Eiserfeyer Kalkofen unter Benutzung der Hochofen-Gichtflamme zum Betrieb eines Kalkofens“ aus Archiv für Bergbau und Hüttenwesen 

„Ein Kalkofen welcher auf der Gicht des Hochofens angebracht wird, richtet sich im Allgemeinen nach der Beschaffenheit der Gicht, außerdem findet in den einzelnen Dimensionen eine große Willkür statt.
Tafel II: Figur 9 und 10 stellen einen Kalkofen auf dem Hochofen zu Eiserfey dar, und zwar Figur 9 A die Ansicht von oben, B den Grundriss von vorne. M (Figur 10) deutet den Hochofenschacht an, welcher vom Bodenstein bis zur Gichtöffnung etwa 20 Fuß  hoch ist (ein Fuß = 12 Zoll ca. 31,385 cm). N (Figur 9)  ist die 36 Zoll lange und 12 Zoll breite Gichtöffnung (laut Preußischer Maß- und Gewichtsordnung vom 16.05.1816 ist ein Zoll ca. 25,81 mm, ein Fuß = 12 Zoll ca. 31,385 cm groß).
Der Kalkofen ist aus Bruchsteinen (schiefriger Grauwacke) ausgeführt. Er ruht auf starken eisernen Platten (a a a)  welche auf der Gicht aufliegen. Die Sohle der Kalköfen (b b) besteht aus Bruchsteinen. Auf jeder langen Seite der Gicht befindet sich ein Kalkofen. Beide werden abwechselnd betrieben. Durch die Öffnung (c) tritt die Gichtflamme in den Ofen. In der Decke, oben im Gewölbe des Ofens, befinden sich vier Zuglöcher (d d d d). Die eiserne Platte (e) über der Gicht ist dazu bestimmt, zu verhindern, daß die Gichtflamme nicht in die Höhe entweicht. Die eiserne Platte (f) wird abwechselnd vor die Feueröffnung des einen oder anderen Ofens gestellt, indem immer nur ein Ofen um den anderen im Betriebe ist. Diese Platte ist mit einem Handgriff versehen, um sie bequem handhaben zu können. (g, g, g, g, g) sind starke Anker, welche die Kalköfen von allen Seiten umgeben und zusammenhalten, weil sie sich durch die große Hitze bedeutend ausdehnen. Der Kalkofen wird so eingesetzt, daß einige Züge oder Feuerkanäle in demselben offen bleiben. Alsdann wird die Vorderwand des Ofens mit lufttrockenen Backsteinen zugemauert.
An den Kalköfen zu Eiserfey enthält jeder 48 Kubikfuß oder 27 Scheffel (Kubikfuß = 30,916 Liter, Scheffel = 54,962 Liter). Diese 27 Scheffel werden in 36 Stunden gargebrannt. In einem Jahr, zu neun Schmelzmonaten gerechnet, können daher in beiden Öfen 4860 Scheffel oder 1490 Dürener Malter Kalk gebrannt werden.
Das Dürener Malter wird für 50 Stüber verkauft (Stüber = 4 Pfennig, Münze 15.-19. Jahrhundert). Bei den sehr geringen Unkosten kann man wenigstens die Hälfte dieser Summe als reinen Gewinn betrachten und wahrscheinlich ist derselbe noch viel beträchtlicher.
Das Kalkbrennen geschieht entweder durch besondere Meister, oder durch die Auflaufer. Es soll Übung und Geschicklichkeit in der Direktion des Feuers dazu erforderlich sein und nicht Jedem soll es gelingen, immer gleich guten Kalk zu brennen. Es lassen sich darüber keinen allgemeinen Regeln aufstellen, denn wahrscheinlich will jeder Kalkstein auf seine eigene Art behandelt sein“
Soweit die Beschreibung der Herrn von Dehnhausen.
Die heute übliche und erforderliche Gebrauchsanweisung oder Sicherheitsvorschrift gab es zu dieser Zeit noch nicht.

Der erarbeitete Text basiert auf dem jetzigen Kenntnisstand und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Quellen und Literatur:

Kasig, Werner: Zur Geschichte der deutschen Kalkindustrie und ihrer Organisation: Forschungsbericht von W. Kasig und B. Weiskorn. Hrsg. V. Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie e. V., Düsseldorf 1992
Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden, März 1854
dito Juli 1854
dito März 1859
dito März 1866
dito Mai 1868
Gemünder Wochen- und Anzeigenblatt 02.03.1854
dito 27.07. 1854
Archiv für Bergbau und Hüttenwesen, Band 6, von Carl Karstens 1823, S. 369ff
dito Band 7
Preußische Masse um 1860. Bürger- und Heimatverein Heven e. V.
Die älteren und neuen Masse und Gewichte der Königlich Preußischen Rheinprovinz. Ein Handbuch für Beamte, Kaufleute und Geschäftsmänner. Hrsg. C.L. W.  Aldefeld S. 42-43
Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z. Regenstauf 2005
Eifel Zeitung. Kalkrenner aus der Eifel
Wikipedia Kalkstein
Wikipedia Kalkofen
Seilnacht: Geschichte der Kalknutzung 
ww,prüem.net/html/handwerk2

Schriftverkehr: Milde-Traber von 1931 Verkauf am Kalk bisher nicht veröffentlicht
Schriftverkehr: Milde-Traber von 1932, Auszug aus Pachtvertrag am Kalk bisher nicht veröffentlicht
Foto aus Eifelvereinsblatt vom 1907, Seite 100
Fotos Privat

26.02.2023