Waren wir Helden in Eiserfey ?

Waren wir Helden !

Johann W. Mießeler

Für die Generationen die in den 50er bis 70er Jahre Kind waren.
Nichts für die, die nach 1970 geboren wurden.
Ab dieser Zeit wurden die Kinder in Watte gepackt.

Es grenzt schon fast an ein Wunder, daß wir so lange überleben konnten.

Unsere Bettchen waren mit Blei- und Cadmiumhaltiger Farbe bunt angemalt.
Wir spielten Räuber und Gendarm, Cowboy und Indianer. Bewaffnet waren wir mit Pfeil und Bogen. Eine gutgehende Schleuder und ein Taschenmesser durften auch nicht fehlen. Mit Stöcken stachen wir nicht besonders viele Augen aus.
Wir kämpften und prügelten uns manchmal schwarz und blau, hin und wieder gab es auch eine Schnittwunde oder ein Goldzahn füllt heute die Lücke von einem verlorengegangen Zahn. Keiner wurde dafür verklagt. Es war einfach ein simpler Unfall. Außer uns selbst hatte keiner Schuld. Niemand fragte nach „Aufsichtspflicht“.
Unsere Feinde wurden gefesselt und an den Baum gebunden, das hatte nichts mit SM zu tun.
Wir mussten mit Enttäuschungen leben, denn die Erwachsenen interessierte das nicht. Wenn wir uns geprügelt hatten, haben wir zu Hause nichts erzählt, denn unsere Eltern wären mit Sicherheit nicht zu den Eltern unseres Gegners gelaufen, sondern wir hätten den Ärger bekommen.
Unser Lieblingsspielplatz war die Kakushöhle. Kein Versteck blieb uns verborgen.
Der „Kaiser“, Nische der Kaiserbüste, wurde von oben und unten erklommen. Natürlich ohne Fangseil und Sturzhelm. Das Klettern im Felsen war für uns keine Mutprobe sondern Krafttraining und ersetzte das Fitnessstudio.


Ebenso wurden Bäume bestiegen die nicht TÜV geprüft waren und wussten, dass die Äste der Kirschbäume schneller brechen als andere.
Pflaumen mussten wir aufsammeln um an Kirmesgeld zu gelangen, Äpfel wurden gepflückt und Nüsse selbst geknackt.
Knochen und Zähne konnten wir von Holz und Steinen unterscheiden.
Schlitten und Skifahren in der Wintershecke glückte ohne Helm und Protektoren.
Bobfahren, mit Startpunkt „ am Kalk „, Strasse am Weinberg nach Harzheim,  war nichts für Weicheier. Zum Schutz der Mädchen saßen Jungs und Mädchen wechselweise auf dem Bob. Mit 10 Fahrgästen steuerte der Schlittschuhfahrer, vorne auf dem Bob, als Lenker und Bremser in atemberaubendem Tempo die „ Gass“ herunter. Trotz fast 50 Meter abgestreuter Strasse, mit Asche und Splitt, endete die Fahrt über die Hauserbachstrasse an Bravs Hauswand.
Kein Schild „ Achtung überquerende Kinder“  warnte die, allerdings wenigen Autofahrer auf der B477.
Die ein oder andere Narbe zeugt heute noch von geflickten Knochen und Abschürfungen, entstanden durch unerfahrene Lenker oder zu schnelles fahren.
Es war einfach ein simpler Unfall ohne Inanspruchnahme von Haftpflichtversicherung oder Rechtsanwälten.
Neben Kakushöhle, Sportplatz, Wald und Wiese war die Hauptstrasse beliebter Spielplatz.
Hier wurde ohne Handschuhe und Schutzbrille gerängelt, (Fahrradfelge, Reifen treiben)  gedoppt (Dilledopp, Peitschenkreisel treiben) und gekneggelt. (mit Murmeln spielen). Die Mädchen spielten zusätzlich Hippekästchen, Gummitwist oder Hula-Hoop.
Nachlaufen und Springen über den Bach war ohne Knie- und Schienbeinschützer
an der Tagesordnung.
An heissen Sommertagen wurde der Hauserbach gestaut und zum Schwimmbad umfunktioniert. Die ungeklärten, eingeleiteten Abwässer sorgten hin und wieder für Belustigung aber lösten keine Epidemien aus.


Das Fische fangen von Hand im Bach endete häufig mit einem Griff an einen haarigen Gesellen.
Zum Radfahren brauchten wir weder Schutzhelm noch Warnweste. Das oft selbst zusammengebaute Rad entsprach nicht der Strassenverkehrsordnung und hatte auch keine 12 Gänge.
Beim Fussballspielen auf dem Sportplatz in Trikots, wurde die fehlende weiße 3 Strip Sporthose  kurzentschlossen durch eine Feinripp  Unterhose ersetzt ohne  dass dadurch die Partie nicht angepfiffen wurde oder das Spielniveau darunter litt.
Wenn es kälter wurde hat man sich warm angezogen und nicht die Heizung höher gedreht.
Wir sind auf Breitendriesch Schlittschuh gelaufen, ohne dass dafür eine amtliche
Freigabe existierte.
Baumwolle rostet nicht, denn das schön auf 15 x 15 cm geschnittene, auf dem Plumpsklo aufgehängte Zeitungspapier hatte nicht die Zewa Wisch- und Saugkraft wie heute.
Hygiene war nicht unbedingt unsere Stärke aber dafür haben wir heute ein funktionierendes Immunsystem.
Gebadet wurde einmal in die Woche, in der Regel Samstags in einer Zinkwanne.
Die Jüngsten als erste, danach die älteren Geschwister und die Eltern. Als Intimbeleuchtung diente das hellgrüne Lämpchen ( Magisches Auge ) am Löweradio. Die Haare wurden Luftgetrocknet, einen Fön gab es nicht.
Schränke und Türen waren eine ständige Bedrohung für unsere Finger.
Ohne Schwierigkeiten könnten wir Fläschchen aus der Apotheke sowie die Flaschen mit Bleichmittel öffnen,
Wir tranken Wasser aus dem Wasserhahn oder am Bach und nicht aus Flaschen. Niemand starb an den Folgen von gemeinsam genutzten Trinkgefässen.
Wir aßen Kekse, Brot mit dick Butter und wurden trotzdem nicht zu dick.
Drachen konnten wir selbst  bauen und wussten, wo man sie nicht fliegen lassen durfte.
Geraucht wurden in Zeitungspapier eingewickelte, trockene Buchenblätter.
Das tagelang anhaltende Brennen auf der Zunge wurde in späteren Jahren durch das qualmen von Eckstein und Overstolz gelindert.
Wir assen Würmer, die trotz Prophezeiung nicht in unseren Mägen weiterlebten.
Musik hörten wir von kratzenden, aus der Musikbox ausrangierten und von Schröder Jupp gekauften Schallplatten.
Wir hatten nicht:
I Phon, I Pad, Playstation, Nitendo, Videospiele, eigene Fernseher, 100 Fernsehkanäle, Computer, Internet.und flüchtende Pokemons.
Wir hatten Freunde.
Wir gingen raus und trafen sie auf der Strasse oder gingen zu ihnen nach Hause, Ohne Termin und gegenseitigem Wissen unserer Eltern. Keiner brachte oder holte uns.
Wie war das möglich ?
Wir blieben den ganzen Tag weg und mussten erst beim 7. Schlag der Kirchturmuhr gegen 19.00 Uhr zu Hause sein. Denn danach patroullierte der Lehrer die einzuhaltende Sperrstunde.
Niemand wusste wo wir waren und hatten nicht mal ein Handy dabei.
Wenn telefoniert werden musste konnte bei Post Marie eine Gespräch angemeldet und bei freier Leitung durchgeführt werden.
Manche Kinder waren nicht so schlau wie andere.
Sie vielen durch Prüfungen und wiederholten Klassen. Einige glaubten die Lehrer hätten sie so gerne, dass sie noch ein Jahr in der gleichen Klasse bleiben durften.
Das führte nicht zu emotionalen Elternabenden oder gar zu Änderungen der Leistungsbeurteilung.
Die Jungs durften sich, ehe sie vom Lehrer verprügelt wurden, sogar den Stock selber schneiden. Das löste keinen Polizeieinsatz aus.

In Autos saßen wir ohne Sicherheitsgurt und Airbag.

Unsere Taten hatten manchmal Konsequenzen. Keiner konnte sich verstecken.
Wir waren uns im Klaren, dass bei Gesetzesverstoß unsere Eltern uns nicht aus dem Schlamassel heraushauen, sondern der gleichen Meinung waren wie die Polizei.
Unsere Generation hat eine Menge von innovativen Problemlösern und Erfindern mit Risikobereitschaft und Verantwortung hervorgebracht.
Wir hatten Freiheit, Erfolge und Misserfolge. Mit alldem mussten wir umgehen.

Herzlichen Glückwunsch wenn du dazugehörst.
 

Der „ wir waren Helden „ Text, gibt es in div. Varianten seit einigen Jahren  in Internetforen. Der Ursprung ist nicht bekannt.
Der Bericht ist ergänzt durch Jugenderlebnisse des Autors.